Solarthermie gewinnt als Quelle für Prozesswärme in Industrieanlagen an Bedeutung. Steigende Energiepreise, Klimaziele und CO2-Bepreisung erhöhen den Druck zur Dekarbonisierung. Der Beitrag zeigt Technologien von Flach- und Vakuumröhrenkollektoren bis CSP,Konzepte zur Einbindung in bestehende Systeme,Speicherlösungen,Temperaturniveaus und Praxisbeispiele.
Inhalte
- Einsatzfelder in der Industrie
- Hochtemperatur-Kollektoren
- Wärmeintegration mit Pinch
- Hydraulik, Speicher, Regelung
- Kosten und Förderoptionen
Einsatzfelder in der Industrie
Solarthermische Systeme decken in industrieanlagen vor allem Niedertemperatur- bis Mitteltemperaturwärme ab und reduzieren fossile Spitzenlasten. Besonders geeignet sind Prozesse mit stabilen Lastprofilen, wie Pasteruisierung, CIP-Reinigung, Trocknung, Entfettung oder die Vorwärmung von speisewasser für Niederdruckdampf. Durch die direkte Einspeisung in Heißwasser- und Wärmenetze oder über Wärmeübertrager an Prozesslinien entsteht eine zuverlässige Grundlast,die sich mit Kesseln und Abwärmequellen hybrid kombinieren lässt.
- Lebensmittel & Getränke: Pasteurisierung, CIP, Koch- und Reinigungswasser (60-95 °C) mit solarer Grundlastabdeckung.
- Textil & Papier: Waschbäder, Färben, Trocknungsluft-Vorwärmung für konstante Trocknungsqualität.
- Oberflächentechnik & automotive: Vorbehandlung, Entfettungs- und Phosphatierbäder, Zuluft-Vorwärmung in Lackierkabinen.
- Chemie & Pharma: Vorwärmung von Prozessmedien, Niederdruckdampfbereitstellung, Destillationsvorwärmung.
- Industrieparks: Einspeisung in Prozess-Wärmenetze, Kombination mit saisonalen Speichern und Abwärmerückgewinnung.
- Prozesskälte: Solarthermisch angetriebene Absorptionskälte für Kältebedarfe im einstelligen °C-Bereich.
Die Integration erfolgt über Dach- oder Freiflächenkollektoren, typischerweise als Vakuumröhren für 80-150 °C oder parabolische Trogkollektoren für bis zu ca. 200 °C. Pufferspeicher, zweistufige Wärmeübertrager und eine Prioritätsregelung binden die Solarwärme in Heißwasser- und Dampfschienen ein, ohne Prozessstabilität zu gefährden. Qualitätsentscheidend sind Hydraulik (geringe Rücklauftemperaturen), Druckhaltung, Wasserchemie und Mess-/Regeltechnik für sichere Fahrweise und verlässliche performance. Modular aufgebaute Felder ermöglichen Lastfolgebetrieb, Rückfallebene durch Kessel sowie Monitoring der spezifischen Erträge.
| Temperatur | beispiele | Kollektor/Setup | Kernnutzen |
|---|---|---|---|
| < 90 °C | Waschen, CIP, heißwasser | Flach-/Vakuumröhre, Speicher | Grundlast, einfache Integration |
| 90-150 °C | Trocknung, Vorwärmung, ND-Dampf | Vakuumröhre, Druckbetrieb | Hoher Solaranteil, Hybridbetrieb |
| 150-200 °C | Prozessdampf, Thermoöl | Parabolrinnen, Direktdampf | Fossile Substitution, Skalierbarkeit |
Hochtemperatur-Kollektoren
Konzentrierende Kollektorsysteme erschließen Prozesstemperaturen von etwa 150 bis 550°C und liefern satt- oder Heißdampf sowie Wärme über Thermoöle. Zum Einsatz kommen unter anderem Parabolrinnen-, Linear-Fresnel- und Turmfelder mit heliostaten; im unteren Temperaturband ergänzen CPC-unterstützte Vakuumröhren die Palette.Zentrale Bauteile sind selektive Absorberrohre, Spiegel mit hohem Reflexionsgrad, präzise Nachführantriebe und leistungsfähige Isolation. Durch direkte Dampferzeugung werden Wärmeübertragerstufen reduziert, während thermische Speicher auf salz- oder Feststoffbasis Lastspitzen abfedern.
Die Auslegung richtet sich nach Direktstrahlung, benötigtem Temperatur- und Druckniveau, Lastprofil und verfügbarer Fläche. In Regionen mit hoher DNI werden Solartürme für >450°C wirtschaftlich, während Parabolrinne und Fresnel in mittleren Temperaturbereichen und auf modularen Freiflächen punkten. Relevante Aspekte sind Regelungstechnik (z. B. modellprädiktiv), sicherheitskonzepte gegen Stagnation, Medienmanagement für Thermoöl oder Wasser/Dampf, automatisierte Reinigung sowie Normen wie ISO 9806 und IEC 62862. Geeignete Anwendungen reichen von Trocknung, Färberei und Pasteurisation bis zu Reaktorerwärmung und Speisewasser-Vorwärmung in Kesselsystemen.
| Technologie | Temp. | Wärmeträger | Nachführung | Einsatz |
|---|---|---|---|---|
| Parabolrinne | 180-400°C | Thermoöl/DSG | 1-achsig | Dampf, Trocknung |
| Linear-Fresnel | 160-380°C | Wasser/DSG | 1-achsig | Prozessdampf, CIP |
| Solarturm | 450-565°C | Salz/DSG | 2-achsig | Hochdruckdampf, Synthesen |
| Vakuumröhren (CPC) | 120-200°C | Wasser/Thermoöl | statisch/neigung | Vorwärmung, Waschen |
- Vorteile: hohe Vorlauftemperaturen, direkte Dampferzeugung, geringere Brennstoffabhängigkeit, CO₂-Reduktion in schwer elektrifizierbaren Prozessen.
- Herausforderungen: Flächenbedarf, präzise Ausrichtung, Verschmutzung/Spiegelreinigung, Wasseraufbereitung, Frost- und Überhitzungsschutz.
- Speicheroptionen: Zweitank-Salzspeicher, Schotterbett, PCM-Kaskaden für Lastverschiebung und Nachtbetrieb.
- planungs-Kennzahlen: optischer Wirkungsgrad 0,65-0,80; spezifischer Flächenbedarf 2-5 m²/kWth; Verfügbarkeit >95% mit Hybrid-Backup.
Wärmeintegration mit Pinch
Die Pinch-analyze ordnet solare Lieferprofile systematisch den Prozess-Senkentemperaturen zu und schafft damit eine belastbare Grundlage für die Auslegung von Kollektorfeld,Wärmetauschern und speicher. Über Kompositkurven und die ΔTmin-Vorgabe wird die maximal mögliche interne Wärmerückgewinnung bestimmt; die verbleibende Restlast wird als Hot Utility definiert. Solarthermie kann diese Restlast ersetzen, sofern die Kollektoraustrittstemperaturen über der Zieltemperatur am kritischen Engpass liegen und die Annäherungstemperatur am Pinch nicht unterschreiten. Für variable Einstrahlung sind Schichtspeicher und zweistufige Einspeisepunkte sinnvoll, um sowohl Hoch- als auch mittelniveau-Wärme bedarfsgerecht vorzuhalten und taktbetrieb zu vermeiden.
- Temperatur-Matching: Kollektortechnologie nach Senkenband wählen (Flach-/Vakuumröhre, CPC, PTC/LFR).
- ΔTmin-Strategie: Trade-off zwischen Wärmetauscherfläche, Rückgewinnung und Regelstabilität.
- Speicherwahl: Sensibel vs. latent; Schichtung für Mehrtemperaturniveaus.
- Einbindungspunkte: Vorwärmzüge, Speisewasser, CIP, Bäder; Bypass- und Mischregelung.
- Betriebsführung: Lastverschiebung, Priorisierung von Wärme oberhalb des Engpasses, Stagnationsmanagement.
| Temp.-Band | Senke/Prozess | Solar-Tech | Einbindung |
|---|---|---|---|
| 60-90 °C | CIP, Waschen | Flach/Vakuumröhre | Vorwärmzug unterhalb Engpass |
| 90-140 °C | Pasteurisation, Bäder | Vakuumröhre/CPC | Direktheizung nahe Engpass |
| 140-200 °C | Heißwasser, ND-Dampf | PTC/LFR | Hot Utility oberhalb Engpass |
Für Brennstoffeinsparung gilt: externe Wärme idealerweise oberhalb des Engpasses einspeisen, um die minimalen Utility-Ziele nicht zu erhöhen; für Dekarbonisierung kann Solarwärme als Substitution der fossilen Hot Utility an bestehenden Einspeisepunkten genutzt werden, sofern die Pinch-Konsistenz gewahrt bleibt. Saisonale Schwankungen erfordern Lastmanagement mit Speichern auf zwei Niveaus, abgestimmter Regelung (Massenstrom, Vorlauftemperatur) und geeigneten Wärmetauscherflächen, damit die Annäherungstemperaturen im gesamten Betriebsspektrum eingehalten werden.
- Kennzahlen: Solaranteil an Hot Utility über dem Engpass, ΔT-Annäherung am Engpass, rückgewonnene Wärme pro t Produkt.
- Performance: Spezifischer Kollektorertrag (kWh/m²a), exergiebasierte Effizienz, vermiedene CO₂-Emissionen (kg/MWh).
- Netzqualität: Anzahl/Qualität der Matches, bypass-Quote, Taktungsrate von Erzeugern und Pumpen.
Hydraulik, Speicher, Regelung
Die effizienz industrieller Solarthermie hängt maßgeblich von sauber ausgelegten Kreisläufen und speicherseitiger Schichtung ab. Ein solarer Primärkreis mit passendem Wärmeübertragungsmedium (Wasser/glykol oder Thermoöl) koppelt über einen Plattenwärmetauscher in den Prozesssekundärkreis ein. Hydraulische Weiche und kaskadierte Schichtspeicher entkoppeln Volumenströme, stabilisieren Differenzdrücke und erlauben mehrere Temperaturlevels für unterschiedliche Verbraucherstränge. Mehrfachhöhen-Einspeisung und Rücklaufanhebung minimieren Mischverluste, während Differenzdruckregler, Sicherheitsventile, Entlüfter und Bypass-Kühler Stagnation, Kavitation und thermische Überlast vermeiden.
- Entkopplung: Wärmetauscher zwischen Kollektorfeld und Prozessnetz; optionale Druckstufentrennung.
- Schichtung: Schichtladeeinrichtungen,mehrfache Be- und Entnahmehöhen,geringe Rücklauftemperaturen.
- Volumenstromführung: drehzahlgeregelte Pumpen, ΔT-orientierte Regelung, konstante Differenzdrücke.
- Priorisierung: Direktnutzung vor Speicherladung; kälteste Rückläufe zuerst.
- Sicherheit: Notkühlpfad, Rückschlagorgane, Medium-Überwachung (Frostschutz, Thermoölzustand).
| Modus | Ziel | Stellgrößen | Trigger |
|---|---|---|---|
| Laden | Speicher schichten | Pumpendrehz., 3-Wege-Ventil | DNI > Schwellwert |
| Entladen | Prozess versorgen | Entnahmehöhe, Mischventil | Wärmeanforderung |
| Parallelbetrieb | Solar + Kessel | lastaufteilung | Last > Solarleistung |
| Notkühlung | Stagnation vermeiden | Bypass, Trockenkühler | Tkol > Grenzwert |
Die Regelung verbindet Erzeugung, Speicherzustände und Lastprofile über ein hierarchisches Konzept. Ein modellprädiktiver Regler nutzt Wetterprognosen und Produktionspläne, um Ladefenster zu planen, Kollektorstart zu optimieren und Taktung konventioneller Erzeuger zu reduzieren. 3-Wege-Mischer, drehzahlgeregelte Pumpen und ventilseitige Vorsteuerung halten Vorlauftemperatur, ΔT und Rücklauftemperatur im Zielkorridor; Stagnationsmanagement, Frostschutz und Dampfnetz-Entkopplung sichern robusten Betrieb. mess- und Datenebene mit Wärmemengenzählern,Druck-/Temperatursensorik,Strömungswächtern sowie OPC UA/SCADA-Anbindung ermöglicht Kennzahlen wie Solarer Deckungsanteil,Speicherwirkungsgrad und spezifischer Kollektorertrag zur kontinuierlichen Optimierung.
Kosten und Förderoptionen
Investitionskosten und Betriebskosten werden maßgeblich durch Temperaturniveau, Prozessintegration, verfügbaren Flächenzuschnitt und Speichergröße bestimmt. Während Skaleneffekte größere Kollektorfelder begünstigen, treiben komplexe Unterkonstruktionen, hohe Stillstandsanforderungen und anspruchsvolle Anbindungen an bestehende Netze die Kosten. Für die Wirtschaftlichkeitsbewertung hat sich die Kennzahl Levelized Cost of Heat (LCOH) etabliert, die Kapitalkosten, O&M, Degradation sowie erwartete Vollbenutzungsstunden inklusive Strahlungsrisiko bündelt. Mittel- bis langfristig stabilisieren sinkende Kollektor-spezifische Kosten, standardisierte Hydraulikskids und modulare Speicher die LCOH; zusätzlich wirken CO₂-preise auf fossile Alternativen preistreibend und verkürzen Amortisationshorizonte.
- Kollektorfeld & Unterkonstruktion: Flächenbedarf, Wind-/Schneelasten, Tracking/Fixed-Tilt
- Speicher: Volumen, Temperaturhub, Isolationsstandard
- Hydraulik & Regelung: Pumpen, Wärmeübertrager, Sicherheitsarmaturen
- Planung & Engineering: Genehmigungen, Statik, Prozesssimulation
- Bau & Logistik: Fundamentierung, Kraneinsätze, Baustellenmanagement
- Integration: Prozessleittechnik, Schnittstellen, Redundanzkonzepte
- Monitoring & O&M: sensorik, Leistungsüberwachung, Reinigung
Für industrielle Prozesswärme auf Solarthermie-Basis stehen je nach Projektgröße und Standort verschiedene Förder- und Finanzierungsinstrumente zur Verfügung. In Deutschland dominieren Investitionszuschüsse im Rahmen der Bundesförderung für Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft (EEW) für erneuerbare Prozesswärme, flankiert von zinsgünstigen grünen Darlehen (z. B. über KfW/Haftungsfreistellungen) sowie regionalen Programmen. Ergänzend kommen Contracting-/Heat-as-a-Service-Modelle zur CAPEX-Entlastung,Garantie- und Bürgschaftslösungen zur Risikoabsicherung und – je nach Rechtsrahmen - steuerliche Begünstigungen in Betracht. EU-instrumente und Sektorkopplung mit Wärmepumpe/Biomasse können die Förderfähigkeit erhöhen; beihilferechtliche Obergrenzen, Kumulierbarkeit und Taxonomie-Konformität bleiben zentrale Prüfpunkte.
| Fördertyp | Beispiele | Wirkung |
|---|---|---|
| Investitionszuschuss | EEW (Prozesswärme), Landesprogramme | Reduziert CAPEX, verkürzt Payback |
| Grüne darlehen | KfW/Bankkonsortien, Sustainability-Linked | senkt Kapitalkosten, verbessert LCOH |
| Contracting | Heat-as-a-Service, ESCO-Modelle | CAPEX-frei, planbare Wärmepreise |
| Garantien/Bürgschaften | Öffentliche Bürgschaften, Performance-Garantien | De-Risking, bessere Kreditkonditionen |
| EU-/Sonderprogramme | Innovation fund, LIFE, IPCEI | hebel für Großprojekte/Best-in-Class |
Was versteht man unter Solarthermie zur Prozesswärme in Industrieanlagen?
Solarthermie zur Prozesswärme nutzt Sonnenkollektoren, um Wasser oder Wärmeträger zu erhitzen und industrielle Prozesse zu versorgen.Je nach Temperaturbedarf kommen Flach-, Vakuumröhren- oder konzentrierende Kollektoren zum Einsatz, oft mit Speichern.
Welche Temperaturbereiche und Anwendungen sind realistisch?
Je nach Kollektortyp werden 60-150 °C direkt erreicht; mit Konzentratoren sind 200-400 °C möglich. Anwendungen reichen von Waschen, Pasteurisieren und CIP bis zu Trocknung, Vorwärmung von kesselspeisewasser und Dampfunterstützung.
Wie lässt sich Solarthermie in bestehende Industrieanlagen integrieren?
Die Einbindung erfolgt meist als Vorwärmstufe über Wärmeübertrager und Pufferspeicher. Regelungen koppeln Solarwärme priorisiert, während Kessel oder Dampferzeuger Spitzenlasten decken. Hydraulik, Druckstufen und Medienkompatibilität sind abzustimmen.
Welche wirtschaftlichen Aspekte und Fördermöglichkeiten spielen eine Rolle?
Wirtschaftlichkeit hängt von Energiepreisen, Volllaststunden, CO2-Kosten und Wärmeniveau ab. CAPEX dominieren, OPEX sind gering. Amortisationszeiten liegen oft bei 5-12 Jahren. Förderprogramme von Bund, Ländern und EU sowie Contracting-Modelle reduzieren Investitionen.
Welche Flächen- und Standortanforderungen bestehen?
Benötigt werden ausreichend Dach- oder Freiflächen mit geeigneter Statik, Ausrichtung und minimaler Verschattung. Nähe zum Prozess reduziert Leitungsverluste. Klimabedingungen, Wasserqualität, Frostschutz und Korrosionsschutz beeinflussen Auslegung und Materialwahl.